«Ich bin wertvoll»: eine Textilarbeiterin und eine Urteilsvollstreckerin über ihren Kampf für das Arbeitsrecht

Wie nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit gestaltet werden soll, hängt vom Kontext vor Ort ab. In El Salvador hat Brücke Le Pont zusammen mit ihren lokalen Partner*innen entschieden, das Recht für die Textilarbeiter*innen zu schärfen.

Carmen Yesenia viuda de Rodas wird Geld geschuldet. Geld, das sie durch harte Arbeit in einer salvadorianischen Textilfabrik verdient hat. Geld, das sie eigentlich dringend braucht. Die Arbeit in den sogenannten «Maquilas», so werden die Fabriken in Lateinamerika genannt, ist weder für faire Löhne noch für gute Arbeitsbedingungen bekannt.

Bei Brücke Le Pont weiss man: salvadorianische Textilfabrikbesitzer beuten aus. Dagegen will man ankämpfen; effizient, sodass möglichst viele Arbeiter*innen wie Carmen de Rodas geholfen wird.

Seit Jahren arbeitet Brücke Le Pont in El Salvador zum Thema Arbeitsrecht. Im Rahmen des Projekts Derechos Laborales setzen sich Urteilsvollstrecker*innen dafür ein, dass geschuldete Beträge von Fabrikbesitzern an die Arbeiter*innen ausbezahlt werden. Das jährliche Projektbudget beträgt rund 70’000 Franken. Die Auszahlungen an die geprellten Arbeiter*innen? Zwischen 2018 und 2023 über 9 Millionen Franken. Und im vergangenen Jahr? Sogar über 4 Millionen Franken.

Zusammen mit der Urteilsvollstreckerin Diana Carolina Soriano Ayala erzählt Carmen de Rodas von ihren Erfahrungen im Rahmen des Projekts.

Carmen, du hast gearbeitet, aber nicht den vollen Lohn erhalten. Wieso?

Carmen: Die Fabrik, in der ich gearbeitet habe, hat angefangen, mein Gehalt zu stunden. Auch bei meinen Kolleg*innen ist dies vorgekommen. Wir erhielten im Zweiwochenrhythmus 14 US-Dollar. Das ist weit unter dem monatlichen Mindestlohn von rund 300 US-Dollar. Die Fabrikbesitzer sagten, wir müssten besser arbeiten, damit sie unser volles Gehalt bezahlen können. Dabei hatten wir unseren Lohn bereits vereinbart. Später haben wir zudem herausgefunden, dass unser Arbeitgeber seit 2018 weder unsere Sozialversicherung noch die Pensionskasse bezahlt hat – auch wenn sie die Beträge von unseren Löhnen abgezogen haben.

Was hast du dann gemacht?

Carmen: Ich habe Beschwerde eingereicht. Beim Arbeitsministerium, bei der Generalstaatsanwaltschaft, beim Ombudsmann für Menschenrechte. Es ging aber nicht vorwärts. Das Problem ist auch, dass es während der Arbeit sehr schwierig ist, ein Verfahren weiterzuverfolgen. Viele meiner Kolleg*innen haben aufgegeben, weil sie bei der Arbeit um Erlaubnis bitten mussten, um wichtige Termine wahrzunehmen. Diese wurde aber oft nicht erteilt. Und arbeiten mussten wir, weil wir eine Familie zu ernähren haben. Meine Kinder sind inzwischen erwachsen, sie unterstützen mich auch im Prozess. Aber viele meiner Kolleg*innen haben diese Möglichkeit nicht, weil ihre Kinder noch zu klein sind.

Diana, Arbeiter*innen wie Carmen sind offensichtlich im Recht. Trotzdem dauern die Prozesse bei den Gerichten sehr lange.

Diana: Das ist so. Wir arbeiten daher daran, dass sich die Verfahren beschleunigen. Inzwischen läuft die Zusammenarbeit mit den Gerichten wirklich gut, wir sind fast täglich in Kontakt. Es gab grosse Fortschritte bei der Straffung der Verfahren, aber auch bei der Mitteilung der Beschlüsse und Urteilen. Im Rahmen von Derechos Laborales dauern Verfahren nicht mehr mehrere Monate. Sie werden in kürzerer Zeit abgeschlossen.


Brücke Le Pont

Bildlegende: Im Rahmen des Projekts Derechos Laborales sind schon Tausende geschädigte Textilarbeiter*innen zu ihrem Recht gekommen. (Bild: Brücke Le Pont)