Wohlstand und Wirtschaften – Denken mit der «Gemeinwohl-Brille» öffnet Perspektiven. Ist Wohlstand ohne Wirtschaftswachstum möglich? Die vom Österreicher Christian Felber ins Leben gerufene Bewegung Gemeinwohlökonomie will Wirtschaften wegbringen von einer reinen Profit- und Geldorientierung hin zu einer lebensdienlichen, menschenfreundlichen und umweltbewussten Tätigkeit.
Es läuft etwas schief
«Wenn Dinge, die noch brauchbar sind, weggeworfen werden, weil es billiger ist, Neues aus China zu kaufen, dann merke ich, dass hier etwas schiefläuft.» Dies sagt Thomas Schanz beim Gespräch über Anderes Wirtschaften am 27. Nov. 2024 auf radio einFluss (www.ethik22.ch/ podcasts). Es geht beim Wirtschaften an zu vielen Orten, selbst im Gesundheitswesen, nur noch um Gewinnmaximierung. «Dabei spielen der Ressourcenverbrauch, die Umweltverschmutzung, die Menschenwürde leider keine Rolle.» Denn der Erfolg der Wirtschaftsleistung wird nur am Verkauf von Waren und Dienstleistungen gemessen – und vieles, das die Qualität des Lebens ausmacht, ist vollkommen ausgeblendet. «Und diese Zahlen sagen nichts darüber aus, wie gut es uns wirklich geht.» Hier knüpft die Gemeinwohlökonomie an. Im Rahmen dieses Ansatzes wurde ein Werkzeug entwickelt, das sichtbar macht, wie gut eine Unternehmung das Wohl der Menschen als Ganzes im Blick hat und fördert.
Orientierung Verfassung
Ausgangspunkt sind Grundsätze, die in vielen Verfassungen moderner Demokratien grundgelegt sind: Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit, Demokratie und Mitentscheidung. Diese vier Grundwerte werden in der Folge bei vier Anspruchsgruppen analysiert und bewertet, nämlich bei den Kunden, die Mitarbeitenden, die Finanzdienstleister und das gesellschaftliche Umfeld verbunden mit der Umwelt. Mit einem Fragenkatalog kann nun eine Organisation oder ein Unternehmen die Fragen zu diesen Kriterien beantworten – z.B. die Sorge für die Menschenwürde bei den Lieferanten, und erhält dann eine Einschätzung. Interessant ist, dass wer sich lediglich an die Gesetze hält, noch keine Gemeinwohlpunkte erhält.
Kooperation statt Wettbewerb
Kooperation statt Wettbewerb Im Hintergrund spielen jedoch noch weitere Überlegungen eine Rolle. So weiss man, dass ein rein auf Wettbewerb gebautes Wirtschaften gerade in Unternehmen nicht automatisch zufriedene Mitarbeitenden, besser Produkte oder Dienstleistungen hervorbringt. Es kann sich also auch wirtschaftlich lohnen und Gewinn abwerfen, Kooperation in der Wirtschafts- und Unternehmenswelt zu fördern. Ein solcher Ansatz macht deutlich, dass Geld lediglich ein Mittel zum Wirtschaften darstellt und nicht der Zweck selber ist. Vieles – auch Überflüssiges – wird heute produziert, nicht weil es nützlich ist, sondern mehr Geld einbringt.
Gemeinwohlökonomisches Denken und Handeln hat bereits begonnen. Es sind Unternehmen, die sich fragen, woran sie sich orientieren beim Wirtschaften. Diese Beispiele zeigen, dass eine Ausrichtung aufs Gemeinwohl funktioniert. Wichtig ist, dass Menschen und Unternehmen nicht nur umdenken, sondern dies auch konkret umzusetzen beginnen. Die Erfahrung zeigt, dass solche Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich sind.
Wer hat’s erfunden?
Für die KAB ist die Gemeinwohlökonomie ein Heimspiel. Die ersten Anfänge des gemeinwohl- orientierten Wirtschaftens gehen nämlich auf das Katholisch-soziale Institut der Diözese Köln zurück. Inspiriert von den Prinzipien der Katholischen Soziallehre wurde dort um die Jahrtausendwende das Wirtschaften neu gedacht. Einmal mehr zeigt sich, wie das Denken und Handeln der KAB die Welt prägt.
Thomas Wallimann, Leiter «ethik22»