125 Jahre KAB

Wir sind die christliche Sozialbewegung KAB. Das Kürzel KAB steht für Katholische Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung. Diese Begriffe prägen uns seit 125 Jahren. Doch welche Bedeutung haben sie heute? Der Vorstand der KAB Schweiz reflektiert über diese Begriffe und den Sinn unserer Arbeit.

Was heisst heute christlich-sozial?

Christlich-sozial bedeutet für mich dasselbe wie schon immer. Magdalena Holztrattner (Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreich) hat das treffend formuliert:

«Nicht jede die sozial handelt, muss christlich sein; aber jeder der sich christlich nennt, wird sich sozial, also für das gute Zusammenleben in einer Gemeinschaft zu engagieren haben. Christlicher Glaube und der Einsatz für soziale Gerechtigkeit, das Engagement für das gute Leben aller – besonders der Armen – […] gehören untrennbar zusammen […], also politisches Denken, Entscheiden und Handeln sind aus dem christlichen Glauben heraus notwendig.»

«Ein grundlegendes Prüfkriterium für politische Entscheidungen und Massnahmen ist die Frage, inwieweit sie besonders den Armen dienen, um ein selbstbestimmtes, gesellschaftlich integriertes Leben führen zu können. Ohne die «vorrangige Option für die Armen» ist christlich inspirierte Politik nicht denkbar.»

Was bewegt Dich in der Welt – und was kann die KAB hier beitragen?

Mich bewegen die Verteilungskämpfe. Sie führen zu Sparmassnahmen, meist im sozialen Bereich, bei den Armen. Die diskriminierende Sprache spaltet in jene, die Leistung erbringen (oder erbracht haben) und jene, die sich «durchmogeln, die Faulen ». Die wahren Ursachen für die wachsenden Kosten werden ausgeblendet und der «Schwarze Peter» wird den Bedürftigen zugeschoben.

Viele in Politik und Gesellschaft sehen den Menschen als Individuum, das egoistisch sein muss und von den Prinzipien von Wettbewerb und Leistung geleitet wird. Dem steht das Prinzip des Einsatzes für ein gutes Leben aller diametral entgegen. Auf dem freien Markt, wo das Recht des Stärkeren gilt, hat die Solidarität keinen Platz. Diese Entwicklung macht mir grosse Sorgen.

Ich glaube, dass die KAB hier einen Beitrag leisten kann. Zusammen mit «ethik22» können wir Menschen schulen, die eigentlichen Ursachen von Polarisierung und Ausgrenzung im Ansatz zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.


Beat Schürmann, Co-Präsident KAB Schweiz


Was heisst heute katholisch?

Katholisch sein bedeutet viel Arbeit! Das Neue Testament gilt für mich als Anleitung für ein Leben als guter Mensch. Diese Anleitung ist geprägt vom Leitthema der Nächstenliebe, die Jesus uns vorgelebt hat, indem er alle Menschen zu sich führen wollte, unabhängig von ihrer Geschichte und ihrer Voraussetzungen. Die Institution der katholischen Kirche daran zu erinnern, dass alle Menschen zu Jesus kommen dürfen, ist manchmal schwerer als man meinen sollte …

Christlich-sozial – wie politisch ist die KAB?

Wenn man auf die Geschichte der KAB zurückblickt, war die Bewegung am Anfang sehr christlich-sozial. Beide Elemente waren gleich wichtig: die Mitglieder waren im konservativen Denken der Kirche verankert, aber gleichzeitig gab es auch das moderne Denken der sozialen Bewegung, nicht sozialistisch, sondern praktisch sozial im besten Sinne.

Daraus entstand eine sehr politische Ausrichtung der KAB, in deren Zug auch viele Führungsmitglieder auf lokaler, regionaler oder kantonaler Ebene politische Ämter innehatten. Diese Ausrichtung scheint für mich am Ende des letzten Jahrhunderts verloren gegangen zu sein, parallel zur Individualisierung der Gesellschaft. In meiner Umgebung scheint die KAB heute sehr unpolitisch geworden zu sein: KAB und Politik sind nicht mehr gleichermassen miteinander verknüpft.  


Mario Amacker, assoziiertes Mitglied ohne Stimmrecht


Was lernen wir aus der Vergangenheit für die Zukunft und welche Wirkung will die KAB in der Gesellschaft haben?

Wie hast du es mit dem Blick in deine Vergangenheit? Mit dem Blick auf das vergangene Erleben kann man die Zukunft wirkungsvoller angehen. In dieser Zukunft liegt unser Ziel. In der KAB-Vergangenheit wurde sehr viel Wertvolles für die Arbeitnehmenden und für das Gemeinwohl geleistet. Im 125. Jahr unseres Bestehens bin ich überzeugt, dass unsere Bewegung in der herkömmlichen Form nicht überleben kann.

Stelle ich mir die Sinnfrage «Was brauchen und wünschen sich die Menschen für die Zukunft?», so hat eine Institution mit unseren Werten absolut eine Chance. In diesen rasch ändernden Zeiten sehnen wir uns nach Neuorientierung. Die Werte, nach denen wir unser Leben gestalten und uns in der Gesellschaft verhalten – auch in Kirche und Politik -, haben sich im Verlauf der Generationen verändert.

Wie wäre es, wenn eine (digital) vernetzte Institution aus der alten KAB hervorwachsen würde und vermehrt zum Impulsgeber werden könnte? Kürzlich ist mir in einem ethischen Workshop ein Zitat aufgefallen: «Ist das Ziel noch nicht erreicht, gibt es auch kein Ende!»


Franz Dahinden, Co-Präsident KAB Schweiz


Wie sieht die Beziehung der KAB zur Kirche aus?

Die Frage spiegelt eine einseitige Vorstellung von Kirche. Denn: «Wir alle sind Kirche», mit eigenen Rollen und Aufgaben und unterschiedlicher Nähe zur Gemeinschaft. Bauen wir deshalb in konstruktiver Solidarität mit an der zukunftsfähigen Veränderung der Kirche! Unbequem sein nicht ausgeschlossen. KAB Schweiz – Christliche Sozialbewegung lautet der Vereinsname. Die Marke KAB bewahrte Identität, kann heute aber Fragen provozieren. Diese führen zu den Wurzeln der katholischen Arbeiter- und Arbeiterinnenvereine. Existenziell waren damals die Linderung wirtschaftlicher Not, der politische Einsatz für Reformen sowie soziale und religiöse Bildung. Alles eingebettet in den Schoss der katholischen Kirche.

Der enorme gesellschaftliche, kulturelle und kirchliche Wandel fordert ein Überprüfen des selbst gestellten Auftrags. Der Leitgedanke lautet: «Christliche Sozialethik. In die Gesellschaft hineinwirken. Lebensnah.» Doch ohne innere Motivation passiert nichts. Diese liegt in der Frohen Botschaft, im Weltauftrag aller Christinnen und Christen. Katholisch lässt sich als allumfassend verstehen, also nach aussen und an alle Menschen gerichtet. Auf die Denke kommt es an!


Norbert Ackermann, Co-Präsident KAB Schweiz


Worauf ist die KAB besonders stolz?

Sich um Menschen zu kümmern und einander hilfreich zur Seite stehen, war und wird auch zukünftig von besonderem Interesse sein. Sozialethisches Handeln wird in Zukunft noch wichtiger werden, da die Globalisierung auch nicht vor uns Halt macht. Es braucht immer wieder neue Schritte und Vernetzung, um sich aufeinander einzulassen und sich auszutauschen.  

Warum braucht es die KAB?

Weil es der KAB guttut, mit- und füreinander da zu sein, sich für Schwächere einzusetzen, und mit offenem Herzen den Fokus öffnend auf die Schöpfung achtzugeben. Auch das Heimatgefühl darf gestärkt werden, indem wir eine Offenheit für unseren Glauben und den unseren Mitmenschen füreinander aufbringen. Nachbarschaftshilfe wird gerne angenommen und wird geschätzt.


Otto Hug, Vorstandsmitglied KAB Schweiz


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