Es geht nicht ums Weihnachtsfest, aber durchaus um einen Geburtstag. Die Christliche Sozialbewegung KAB wird 125 Jahre alt. Zum Jubiläumsevent im Herbst 2024 im Klosterbezirk St. Gallen sind Aktive, Ehemalige und alle Interessierten eingeladen. Im Zentrum steht keine nostalgische Rückschau, sondern unser mutiger Blick auf die Gesellschaft der Zukunft. Und dass Christliche Sozialethik «zu einem guten Leben aller» beitragen kann.
Wir alle erleben einen enormen Wandel. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz versprechen mehr Effizienz, werden aber auch als Bedrohung wahrgenommen. Die Beschleunigung des Alltags nimmt zu. Ob sie dem Menschen gut tut? Wer hätte sich vor 30 Jahren vorstellen können, dass heute ein Internetanschluss so selbstverständlich ist, wie es um 1900 das Telefon noch gar nicht war? Zum technischen kommt der Wertewandel: Selbst Fachleute konnten etwa die grossen Veränderungen im Zusammenleben von Frau und Mann nicht erahnen.
Als KAB verstehen wir uns als Teil der Kirche. Wir sind mitbetroffen vom Reformstau, vom Mangel an Seelsorgenden, von der Nicht-Gleichstellung von Frauen und wir sind mitleidend beim Absturz infolge zugedeckter Missbrauchsfälle.
Globale Entwicklungen wie Klimawandel, Migrationsdruck und der Wettlauf um Ressourcen haben Auswirkungen auch auf unser Land. Die Konsequenzen für das gesellschaftliche Zusammenleben sowie neue ethische und soziale Fragen fordern das Gemeinwesen heraus. In wenig durchschaubaren, gar als bedrohlich empfundenen Situationen, sucht der Mensch Orientierung. Vermeintlich einfache Lösungen finden Zulauf, Populisten feiern Erfolge.
Der Daseinsgrund der KAB
Eine andere Sicht auf die Gesellschaft bietet die Soziallehre der Kirche bzw. die christliche Sozialethik. Genau betrachtet ist sie der eigentliche Daseinsgrund der KAB. Zugegeben, dieser Grundgedanke ist im Alltag von Ortsgruppen nicht leicht erkennbar. Die Soziallehre/Sozialethik ist kein Rezeptbuch, bietet aber zuverlässige Wegweiser für eine menschengerechte Gesellschaft. Ein wunderbares Erklärvideo aus Österreich findet sich hier: www.kab-sg.ch/basics-christlicher-sozialethik.
Gesellschaftlicher Wandel zu lange ausgeblendet
Wer schon hohe Geburtstage im festlichen Familienkreis mitfeiern durfte, einen neunzigsten oder gar einen hundertsten, erlebte vermutlich ein Auf und Ab von Gefühlen. Dankbarkeit für ein (trotz Widrigkeiten) gelungenes Leben, Stolz auf die Lebensleistung, Schwelgen in frohen Erinnerungen, Freude an Enkeln und Urenkeln. Und doch kommt Wehmut auf. Das Fest könnte das letzte Zusammensein sein. Der endgültige Abschied ist absehbar. Ähnelt dies der Situation der KAB?
Nüchtern ist festzustellen: Die Anzahl Sektionen schmilzt wie die Gletscher, die Mitgliederzahl schrumpft, ebenso die finanziellen Mittel. Die Reserven nähern sich dem Existenzminimum. Warum dem so ist? Der gesellschaftliche und kirchliche Wandel ist der wohl wichtigste Grund. Die lang bewährte Sozialform «Pfarreisektion» ist, so wie die heutige Gesellschaft funktioniert, kaum mehr anschlussfähig. Respekt und Anerkennung für Vorstände, denen es mit Kreativität und Energie gelingt, neue Wege zu gehen!
Wertvolles weitertragen
Auch wenn die Sektion «aus der Zeit gefallen» scheint, darf «das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet» werden. Diese Regel warnt davor, das Wertvollste ausser Acht zu lassen und dem Kind Schaden zuzufügen. Deshalb: Das Verschwinden überkommener Strukturen ist nicht der Abschied vom Kernanliegen der Bewegung.
Netzwerk: Vision und mehr
Wenn der Grundgedanke der Christlichen Sozialbewegung KAB «stimmt» – und davon ist der Vorstand überzeugt – dann ist die Chance zu packen, eine zeitgemässe Form dafür zu finden. Die Option lautet «Aufbau eines Deutschschweiz-weiten Netzwerks vom Frauen und Männern mit Offenheit für die christliche Sozialethik». Da heute viel Skepsis gegenüber Vereinsbindungen besteht, gibt es Beteiligungsformen nach persönlichem Mass: Interessent/in, Sympathisant/in, Mitglied. Trotzdem ist es anspruchsvoll, Menschen für eine ideell ausgerichtete Bewegung zu gewinnen. Doch wir dürfen uns immer an das Gleichnis vom Sauerteig erinnern (Lk 13.20).
Zu bieten hat das neue Netzwerk Inhalte und Formen, die Frauen und Männern «mitten im Leben» entsprechen. Nicht um die KAB zu «retten», sondern um den Kerngedanken in neuer, anderer Form zu leben. Auf die ideelle Grundlage dürfen wir uns verlassen.
Für Ihre Agenda
Feiern oder nicht? Feiern! Der Geburtstagsanlass 125 Jahre Christliche Sozialbewegung KAB wird gemeinsam von KAB Schweiz, KAB SG und der Sektion St. Gallen-Dom – sie ist die Urzelle der Bewegung – ausgerichtet. Das Fest steigt am Samstag, 7. September 2024 (Vormittag/Mittag).
Norbert Ackermann, Vorstandsmitglied KAB Schweiz, Präsident KAB SG