Arbeit

Auch wenn heute vieles von Maschinen gemacht wird, und sich Arbeit und Arbeiten verändert, bleibt am Schluss die Frage, welche Rolle den Menschen gegeben wird.

Anfang November weilte ich in Malta und nahm an der Jahresversammlung der europäischen Justitia et Pax Kommissionen teil. Aus zwanzig Ländern waren Vertreterinnen und Vertreter zusammengekommen, und wir diskutierten anhand der konkreten Arbeitssituation Maltas über die Entwicklungen in der Arbeitswelt und die Rolle des Menschen.

Ein Blick wurde dabei auf die jungen Menschen geworfen. Dabei zeigte sich, dass diese die Arbeit im Team bevorzugen, also gerne gemeinsam an Problemstellungen herangehen und Lösungen suchen. Dabei ist ihnen eine offene und gute Kommunikation wichtig.  Dies passt ganz gut auch zu den Vorstellungen, die junge Menschen bei uns äussern, wenn sie nach ihrem Verhältnis zu Arbeit gefragt werden. Sie verbinden dieses Miteinander dann mit der Erwartung, dass die Arbeit Sinn machen muss.

Eine zweite Erfahrung war, dass sich die jungen arbeitenden Menschen in Gruppen treffen. Diese Gruppen werden auch kirchlich begleitet. In diesen Gruppen – ganz ähnlich wie einst unsere KAB und Kerngruppen – stärken sich die jungen Menschen gegenseitig. Sie werden von ihren Führungsleuten zudem ermuntert und ermutigt, aktiv die Gesellschaft mitzugestalten – also auch politisch zu sein und in die Politik einzusteigen.

Diese gesellschaftliche und politische Gestaltung der Arbeitswelt ist eine dauerhafte Herausforderung. Was auf dem Papier des Gesetzes gut aussieht, kann im Alltag auch nicht funktionieren. Dies wurde am Beispiel jener Menschen sichtbar, die nicht aus Malta oder der EU stammen. Diese Menschen dürfen arbeiten und brauchen dafür eine Bewilligung. Der Erhalt dieser Bewilligung und deren Verlängerung ist gesetzlich recht einfach möglich, doch die Verfahrensabläufe führen am Schluss dazu, dass es kaum einem Menschen aus den sog. Drittstaaten gelingt, vernünftig bezahlte Arbeit zu finden. Stattdessen sind sie Agenturen ausgeliefert, die ihnen einen Grossteil ihres kleinen Lohnes als Gebühren wegnehmen – oder sie müssen als sog. Plattform-Arbeitende pseudo-selbständig für Amazon und andere Online-Unternehmen Transportdienste machen.

Hier bieten die Grundsätze aus der Soziallehre auch heute wichtige Anhaltspunkte. Diese führte an der Jahresversammlung Sr. Alessandra Smerilli aus. Sie ist zurzeit nicht nur die amtshöchste Frau im Vatikan, sondern als Ökonomin und Professorin eng mit den Fragen von Arbeit und Wirtschaft verbunden. Schnell wurde sichtbar, dass gerade angesichts der Entwicklungen in Malta die Fragen nach gerechten, menschenwürdigen Arbeitsverhältnissen aktuell sind und bleiben. Arbeit muss für den Menschen da sein! Verlangt das Personalitätsprinzip. Um dies umzusetzen, so Sr. Alessandra, müssen vor allem die Menschen am Rand (auch der Arbeitswelt) als zentrale Akteure in die Zukunftsgestaltung einbezogen werden. Es heisst, die Betroffenen zu Mitgestalterinnen zu machen.

Diese Aufgabe stellt sich auch bei uns. Wir haben es traditionell über Arbeitervereine und Gewerkschaften gemacht. Doch viele jener, die zu tiefen Löhnen oder schlechten Arbeitszeitenregelungen arbeiten, sind nicht organisiert – und allein, das wissen wir aus der Geschichte der KAB auch, kann man ein System nicht verändern.

So komme ich bereichert in die Schweiz zurück, bin aufmerksam, wo bei uns die versteckten Ausbeutungsmechanismen von Arbeitenden liegen und weiss, dass es auch hier nötig ist, gemeinsam für mehr Gerechtigkeit in der Arbeitswelt zu kämpfen. Dies soll nicht nur ein frommer Wunsch für das Christkind bleiben, sondern Ansporn, politisch zu sein – eben ganz in der Tradition der KAB!


Thomas Wallimann, ethik22