Wahlen

Alle vier Jahre wählen wir in der Schweiz die Mitglieder des National- und Ständerät:innen. Wem aber gebe ich meine Stimme?

In der Arena haben die Präsidenten der grossen Parteien schon die Klingen gekreuzt, und bald strahlen uns von den Plakatwänden und an den Strassenrändern Gesichter entgegen, die sich für einen Sitz im National- oder Ständerat zur Wahl stellen.

Die Geschichte der KAB ist auch eine Geschichte der politischen Mitgestaltung. Gerechte Arbeitsverhältnisse, eine menschenfreundlichere Welt und friedliches Zusammenleben fallen nicht vom Himmel, sondern werden von uns mitgeschaffen. Auch wenn die KAB keine Partei ist, so ist sie auf der Grundlage ihrer Wertvorstellungen doch parteiisch – oder etwas provokativ gesagt: als KAB-Frau oder -Mann kann ich nicht einfach jeden oder jede wählen!

Kompass

Im Wahlkampf wird einem nur zu oft die Lösung (fast) aller Probleme versprochen. Häufig ist dies mit Schuldzuweisungen an andere (Regierung, Parteien, Medien, Ausländer:innen, Wirtschaft etc.) verbunden. Hier kommt ein erster Orientierungspunkt ins Spiel: Wir leben auf der Erde und nicht im Himmel. Das Paradies auf Erden gibt es nicht, auch wenn wir es uns gerne wünschen. Wir müssen die Spannung zwischen der unvollkommenen Realität und unseren Idealvorstellungen aushalten. Bevor ich Kandidat:innen anschaue, muss ich bei mir klären, welche Ideale mich leiten. Welche Sorgen mache ich mir? Worauf bin ich anfällig, wenn es um «Lösungen» geht? Und wie gehe ich mit Spannungen um?

Die KAB ist aufs Engste mit der Katholischen Soziallehre verbunden. Diese kennt mit den fünf Prinzipien Wegweiser, die auch bei der Prüfung von Kandidat:innen gelten.

Grundlage: Mensch

Geht es bei den Positionen und politischen Richtungen, die mir präsentiert werden, um den Menschen oder stehen andere Interessen im Zentrum? (z.B. Eigennutz, Wirtschaftswachstum, Macht, Nationalität, Rosinenpicken…)

Fokus: Benachteiligte

Die KAB-Tradition legt einen Fokus darauf, welche Menschen im Zentrum unserer politischen Aktivität stehen: es sind die Armen und Benachteiligten. Wer sind in meinen Augen diese «Armen» und «Benachteiligten»? Warum sind sie in dieser Position? Wie wird über diese Menschen im Wahlkampf gesprochen? Sind sie als «Probleme», «Ware» oder Menschen wie Du und ich in der Diskussion präsent?

Ziel: Gemeinwohl

KAB Engagement wie auch Soziallehre haben zum Ziel, dass es allen (!) Menschen gut geht! Es geht also nicht nur um «uns», Schweizer:innen, Abstimmende. So kann ich fragen, welches Ziel haben die Kandidat:innen in ihrer Politik? Für welches Wohl setzen sie sich ein?

Methode: Föderal

Zwei Tendenzen begegnen uns sicher auch im Wahlkampf: die einen legen ihre Hoffnung auf einen starken Staat, verkörpert durch den Bund; die andern wollen möglichst alles zu den einzelnen delegieren. Das Subsidiaritätsprinzip fragt: wie gelingt es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Wer ist jeweils verantwortlich? Wird sichtbar, dass unsere Welt den Einbezug aller (politischen und gesellschaftlichen) Ebenen braucht? Was wird wem zugemutet und warum?

Blick: Planet

Auch in diesen Tagen ist uns bewusst, dass wir auf einer Erde leben, zu der wir ernsthaft Sorge tragen müssen. Für die KAB ist dieser Planet Schöpfung, die uns Menschen anvertraut ist. Wie sehen die Kandidat:innen diese Welt? Wie sehen sie sich selber als mitverantwortlich für das Wohlergehen von Mensch, Tier, Pflanzen und Planet?

Engagement

Wählen beginnt mit Sehen und Wahrnehmen. Natürlich haben wir alle unsere Vorlieben für bestimmte Personen und Parteien. Hier gilt es hinzuschauen, mich zu fragen, warum ich dieser Person oder dieser Partei nahestehe – und dann zu prüfen, ob sich dies auch mit dem obigen Kompass begründen lässt.

Wählen heisst auch Hören und Austauschen. Wie reden Menschen in meinem Umfeld über Politik, die Wahlen, ihre Sorgen, Erwartungen und Kandidat:innen? Wo erkenne ich meinen Kompass wieder? Wo weisen diese in eine ganz andere Richtung?

Wählen bedeutet Diskutieren. Jetzt kommt der spannendste Teil: im Gespräch mit anderen Menschen, bei einem Ausflug, mit Grosskindern, im Zug oder wo auch immer darf ich nachfragen, was sie bewegt und woran sie sich orientieren. Daraus ergeben sich spannende Gespräche und Möglichkeit, meinen eigenen Kompass einzubringen. Als KAB-Frau oder -Mann weiss ich, dass ich damit nicht allein bin. Ich bin Teil einer bald 125-jährigen Tradition und verbunden mit vielen Menschen auf der ganzen Welt. So kann Wählen zu einem Beitrag zu einer besseren und gerechteren Welt werden.


Thomas Wallimann, ethik22